Der Ausnahmekomponist und Musiker Robert WYATT machte mit
dieser und den folgenden Produktionen seinen Anhängern selten leicht. Die Musik
verlangte ungeteilte Aufmerksamkeit und ließ erst nach mehrmaligem Anhören einen
Einblick in WYATTs musikalische Gedankenwelt zu.
Porträts: Robert Wyatt
nachdenklich und lächelnd. Fot: Phil Smee
Im Oktober 1974 kem er mit einer Bearbeitung des
MONKEES-Hits "I'm A Believer" erstmals als Solist in die Charts. Die Single war
weder auf "Rock Bottom" noch auf dem folgenden 75er-Album "Ruth Is Stranger Than
Richard" enthalten. Auch diese LP pendelte zwischen Jazz-Strukturen und
Rockmustern hin und her. Überzeugte vor allem eigene Interpretation der
Komposition von Basisten Charlie HADEN "Song For Che".
Da seine Behinderung Live-Auftritte nur selten
zuließ und die Platten einen sehr hohen Anspruch aufweisen, widmete sich WYATT
bis 1980 intensiv seiner Arbeit in der Kommunistischen Partei Englands, jobbte
als Studiomusiker für Brian ENO, Phil MANZANERA, Nick MASON und arbeitete mit
dem Jazzkomponisten Michael MANTLER und dem Minimalisten John CAGE zusammen.
Das unabhängige Label Rough Trade Records übernahm
zu Beginn der 80er Jahre die künstlerische Betreuung von WYATT und
veröffentlichte vier Singles mit sehr eigenwilligen Interpretationen
internationaler Kampflieder, die Anfang 1982 mit zwei weiterenSongs auf dem
Album "Nothing Can Stop Us" zusammengefaßt wurden. In dieser Phase seiner
Karriere förderte er doe SHINY MEN, Kevin COYNE und produzierte gemeinsam mit
dem Gitarristen Ben WATT die EP "Summer Into Winter". Im Herbst 1982 eroberte er
mit der von Elvis COSTELLO komponierten Single "Shipbuilding" den ersten Platz
der Independent-Charts. Der Song richtete sich gegen den Falkland-Krieg.
Sein Soundtrack "The Animals Film" fand 1983 wenig
Anklang, war aber sehr interessant und engagiert. WYATT setzte in den folgenden
Jahren die Musik verstärkt für sein politisches Weltbild ein. Er nahm im Sommer
1984 für die EP "Work In Progress" in spanischer Sprache Folksongs der
Politdichter Victor JARA und Pablo MILANES auf. Die EP enthielt außerdem eine
hervorragende Version von Peter GABRIELs "Biko". Darüber hinaus spielte er in
diesem Jahr für WORKING WEEK und Lindsay COOPER. Der Erlös der 85er-EP "The Last
Nightingale" kam den streikenden britischen Minenarbeitern zugute, und mit der
Benefiz-Single "The Wind Of Change" unterstützte er im Herbst 1985 das Komitee
für Namibia.
Titelstory der Zeitschrift Wire vom 1993.
Wyatts Biografie von Mike King.
Ausnahmslos WYATT-Kompositionen präsentierte im
November 1985 die LP "Old Rottenhot". Die Synthese aus Intellekt und
Abstraktion, Poesie und Rhythmus, Sprache und Musik wies WYATT einmal mehr als
wachen, kritischen Beobachter seiner Zeit aus, der wie ein Journalist soziale
und politische Missstände musikalisch aufarbeitete. Nach der in den Indie-Charts
platzierten Single "Age Of Self" zog sich WYATT erneut für einige Jahre vom
Musikerdasein zurück. Der Japaner Ryuichi SAKAMOTO lud ihn als Leadsänger für
Anfang 1990 veröffentlichte Album "Beauty" ein.
18 Monate später stellte WYATT, der von der Presse
als "musikalischer Extremist" bezeichnet wird, die LP "Dondestan" fertig. Die
zum Teil von seiner Lebensgefährtin Alfreda BENGE verfaßten Texte handelten von
Umweltzerstörung, der Haltung der Kirche und seinem Austritt aus der
kommunistischen Partei, weil "die sich nur noch um gute Publicity kümmerte". Die
Musik basierte auf einem faszinierend ökonomischen Gewebe aus Keyboards und
Perkussion und einer wundervoll melancholischen, so einzigartigen wie
eigentümlichen Stimme.
21 Minuten neue Musik produzierte der
zurückgezogen lebende Allrounder auf der heimischen Vierspurmaschine für die
Mini-LP "A Short Break", die im Oktober 1992 veröffentlicht wurde. "Britischer Dada-Pop"
prägte das 94er-Kompilations-Album "Flotsam Jetsam",
das WYATT seinem Vater Georg ELLIDGE widmete.
Autor: Christian Graf und Burghard Rausch "Rockmusiklexikon - Europa"
1996.
"Sea Song" Sp'74, "Ruth Is Stranger Than
Richard" '75 LP, "At Last I Am Free/Strange Fruit" Sp'80, "Stalin Wasn't
Stalin/Stalingrad" Sp'80.
Auf dieser Stelle bedanke ich
mich für die Inspiration und Unterstützung bei folgenden Personen : Henryk
Palczewski (Pila), Alexander Kraus (Würzburg), Peter Sohn (Wuppertal),
Marek Bata (Gelsenkirchen), Steven Kuerten (Düsseldorf)
und Damian Kozub (Bochum).
Rafael Kozub.
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