INTERVIEW '1997
"Ich habe mich nie für England
interessiert" Robert Wyatt
Klaus Smit: Bist Du noch in der britischen KP?
R.W.: Ich wäre es noch, wenn die Kommunistische
Partei nicht Harakiri begangen hätte, unglücklicherweise. In der Partei hat der
rechte Flügel das Geld an sich gerissen und andere unerfreuliche Dinge getan.
Ich habe mich aber nicht grundlegend verändert. Wir erleben eine Periode
irrationaler Unruhe. Menschen wenden sich fundamentalen Religionen zu, um damit
ihre Entfremdung auszudrücken. Meine Weltanschauung ist noch dieselbe, in
gewissem Sinn sogar stärker und deutlicher als zuvor. Und niemand kann
bestreiten, dass die Kapitalisten, die unser Leben kontrollieren von niemandem
gewählt sind.
Ein freundlicher Gesprächspartner. Wyatt Anfang
der 90er Jahre in Lincolnshire, England.
K.S.: Was hat sich seit Tony Blair geändert -
für Linke und für Künstler?
R.W.: Um ehrlich zu sein, ich habe mich nie besonders
für England interessiert. Mein größtes Problem sind diese ganzen
Widerveröffentlichungen alter Platten auf CDs, die die alten Verträge wieder ans
Tageslicht brachten. In den meisten Fällen bin ich beschissen worden. Natürlich
hätte ich früher merken müssen, dass ich von Betrügern gemanagt wurde. Die
großen Plattenfirmen, bei denen ich unter Vertrag war, wie z.B. CBS, handeln
sehr undurchsichtig, sie behandeln ihre Künstler wie Scheiße. Das demoralisiert,
denn wenn man eine Platte macht, fragt man sich: "Für wen mache ich das
eigentlich?" Ich mache hier die kreative Arbeit, und das ganze Geld geht an
irgendwelche Angestellten, in irgendwelchen Londoner Büros - damit sie
irgendwelchen sinnlosen Vergnügungen nachgehen können. Die letzte Plattenfirma
(Rough Trade), war aber sehr nett, nette Leute.
K.S.: Was hältst Du von der Theorie, dass
Krisenzeiten für Künstler besonders produktiv sind, wie z.B. die Zeiten der
Torie-Regierung unter Thatcher?
R.W.: Es hängt selbstverständlich ganz von der
Person des Künstlers ab. Die enormen Anstrengungen, die man in den letzten
Jahren unternommen hat, um Leute wie mich zu demoralisieren, hatte eine große
Wirkung. In einer weniger bösartigen, rassistischen und entfremdeten Umgebung
hätte ich wesentlich besser arbeiten können.
K.S.: Fühlst Du dich wohl in der Rolle einer
lebenden Legende?
Robert Wyatt: Unterwegs in Lincolnshire, England
1990.
R.W.: Wenn man schon so lange Musik macht wie
ich, hören all die Leute, die einen nicht mögen, sowieso nicht mehr zu. Und
diese Leute sind bis heute immer noch in der großen Überzahl. Deshalb bin
dankbar, dass es wenigstens ein paar gibt, die mir immer noch zuhören.
K.S.: Aber die Leute, die Deine Musik mögen,
sind sehr, sehr unterschiedlich.
R.W.: All die unterschiedlichen Leute scheinen
auch an unterschiedlichen Perioden meiner Arbeit Interesse zu haben, und das ist
gut so. Aber ich kann nicht genau sagen, wer meine Musik hört, denn ich gehe
nicht viel nach draußen und spiele selten live, daher treffe ich auch kaum
jemanden.
K.S.: Du scheinst genau in dem Grenzbereich
zwischen Pop und Jazz zu arbeiten.
R.W.: Ich musste mir meine Nische suchen, denn
obwohl ich Popmusik sehr mag, arbeite ich nicht gerne in der kommerziellen
Musikindustrie. Aber ich liebe Popmusik, sie ist die moderne Variante des Folk.
Allerdings bin ich zu sehr Fan von Jazz und diversen Avantgardestilen in Musik
und Malerei dieses Jahrhunderts, so dass ich meine eigene Version von Popmusik
erfinden musste. Ich mag die nichteindeutigen Effekte in meinen Songs, sowohl
rhythmischer als auch harmonischer Art.
"Dondestan" '91 Lp, "A
Short Break" '92 CD,
"Mid-Eighties" CD'93,
"United Kingdoms" von Ultramarine Lp'93.
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