ROBERT WYATT

"Wenn ich mir die Dinge anschaue, die mir das meiste Vergnügen und die größte Inspiration vermitteln, dann sind es immer die Dinge, die höchst verletzlich erscheinen, die jedermann zu hassen scheint oder um die sich niemand kümmert. Was mich kaum berührt und mich sogar ängstigt, ist alles, was selbstverständlich und selbstgefällig erscheint." Robert Wyatt  Sound Sea Song, live London '74         


Porträts aus der verschiedenenSchaffensperioden seines Lebens: mit Soft Machine um ca.1967, während Realisation "Rock Bottom" auf der Delfina's Farm 1974, Promotionsfoto Rough Trade von "Old Rottenhat" 1984.

  Robert WYATT (bürgerlich Robert ELLIDGE) durchbrach als erster (!) Rock-Schlagzeuger in der Geschichte die Grenzen zum Jazz und gehörte zu den Leitfiguren und einflußreichten Persönlichkeiten der locker untereinander verbundenen britischen Avantgarde-Szene, die Mitte der 60er Jahre Canterbury zu ihrer Metropole erklärte. Der in Bristol, England am 28.01.1945 geborene Sohn des Pianisten Georg ELLIDGE und einer Journalistin kam 1955 dorthin. Während der Schulzeit begann er als Schlagzeuger in verschiedenen Amateurgruppen, bis er sich dem von ständigen personellen Veränderungen geprägten Kreativensemble WILD FLOWERS anschloss. Aus dieser Formation entwickelten sich Ende 1966 die zunächst Jazzrock-orientierten SOFT MACHINE, die schließlich zum Aushängeschild der britischen Experimentalszene avancierten.

Bei dieser Gruppe, wo WYATT sich als vielseitiger Instrumentalist (dr, perc, key) und Sänger mit den extrem hohen Stimmlagen etablierte, ist der Begriff Rockjazz aber in erster Linie als improvisierte, beziehungsweise er-improvisierte Musik aus dem Kopf zu verstehen, in der selbst die aufwendigsten Arrangements aus einem wahren Gefühl herausgeschrieben sind.

Auffallend waren bei SOFT MACHINE Improvisationen, die ausschließlich über modalen Skalen durchkomponiert wurden, also nicht mehr über Harmoniefolgen, die Musiker wie Miles DAVIS in den Jazz einbrachten und sich später als Jazzrock-Erfinder fälschlicherweise zu titulieren versuchte. Dazu kamen faszinierende und avantgardistische Klangveränderungen. Beides, verbunden mit den immer wieder surrealistisch anspielenden Texten, brachte dieser legendären Gruppe eine, fast unvergleichbare Ausnahmestellung auf der Rock-Szene ein, die den damaligen Hörgewohnheiten der Zuschauer weit voraus war.

Auf insgesamt fünf offiziellen Alben ist WYATT mit seinem eigenwilligen Timbre und seiner druckvollen Schlagzeugtechnik vertreten. Bereits kurz vor der Trennung von SOFT MACHINE stellte er sein erstes Soloalbum "The End Of An Ear" 1971 fertig. Er bot improvisierte, zeitgenössische Musik, die auf einigen intellektuellen Free Jazz-Gedanken basierte und Kultstatus erreichte.


 
Zwei Porträts mit der Zigarette und Abbildung aus der zweiten SOFT MACHINE-Platte.  Fot. Virgin.

Im Gleichem Jahr wurde er Mitglied in der Gruppe des Jazzgeigers Don "SUGARCANE" HARIS, die bei den Berliner Jazztagen debütierte. Daneben fand WYATT Zeit für Studioengagements bei Kevin AYERS, Syd BARRET, Lol COXILL, Keith TIPPETT, Michael MANTLER und CENTIPEDE.

Nach diesem ersten Alleingang stellte er die interessante Band MATCHING MOLE zusammen, für diev er Phil MILLER (g), Bill MacCORMICK (b) und Ex-CARAVAN David SINCLAIR (p,org) gewinnen konnte. Als Gastmusiker wirkte Dave McRAE (p) mit, der bei der zweiten, von Robert FRIPP produzierten LP SINCLAIR ersetzte. Die Gruppe, die nach der französischen Übersetzung für SOFT MACHINE (Machine Molle) benannt wurde, bewegte sich leicht und relaxed im Zwischenfeld von Jazz und Rock, also im Niemandsland. Deshalb konnte sich kommerziell nicht durchsetzen.

WYATT wollte daraufhin die Band umstellen, doch seine Pläne wurden jäh unterbrochen, als er am 01.06.1973 bei einer Party aus dem Fenster im dritten Stock stürzte und seitdem querschnittsgelähmt in einem Rollstuhl weiterleben musste. Er gab nach einem sechsmonatigen Krankenhausaufenthalt nicht auf, konzentrierte sich auf das Komponieren und verarbeitete seine Erfahrungen auf dem Album "Rock Bottom". Das bewegendste und am meisten ignorierte Meisterwerk der 70er Jahre transportierte WYATTs emotional fesselnden Gesang, der unter die Haut ging und Gefühle ausdrückte, die man nicht beschreiben kann. Nick MASON, Schlagzeuger bei PINK FLOYD, produzierte die Platte und brachte bei einem Benefizkonzert von PINK FLOYD 10 000 Pfund für WYATT auf. Auf "Rock Bottom", der 1974 rauskam, spielten außerdem Mike OLDFIELD (g), Hugh HOPPER (b) und Fred FRITH (vi).


"I'm ABeliever/Memories"Sp'74, "I'm A Believer" Sp'74, "The Peel Sessions" '74 MLp und CD.