DÜN

Gegründet 1976 als VEGETALINE BOUFIOL, Frankreich. Aufgelöst 1981. Sound Lepice 1'81  Sound Lepice 2'81    

Es ist immer wieder erstaunlich, welche Juwelen ein Kramen in der Mottenkiste der Prog-Geschichte herverzaubern kann. Wieder einmal gelungen ist dies mit der Widerveröffentlichung von "Eros", der einzigen Platte der französischen Band DÜN.


Dün live: Bruno Sabathe (p,synth.), Jean Geeraerts (g), Pascal Vandenbulcke (fl), Laurent Bertaud (dr), Thierry Tranchant (b) und Philippe Portejoie (s).

Die Wurzeln der Band reichen zurück bis in Jahr 1976, bis sich schließlich 1978 die Band DUNE formierte, die ihren Namen dann noch in DÜN umänderte. 1981 schaffte man es, in einem durch die befreundeten UNIVERS ZERO empfohlenen Schweizer Studio eine selbstfinanzierte Platte aufzunehmen, die in einer Auflage von 1000 Stück gepresst wurde. Erst dieses Jahr wurde sie in einer ebenso kleinen Auflage auf CD veröffentlicht, was bei der Qualität der Musik eigentlich Anlass zur Verwunderung gibt. Auch die Soundqualität ist absolut professionell.

Am Bandnamen und Titeln wie "Arrakis" oder "L'Epice" kann man leicht erkennen, dass die Bandmitglieder Fans von Frank Herbert SF-Epos "Dune" ("Der Wüstenplanet") waren. Die musikalischen Vorbilder waren kaum weniger epochal: das MAHAVISHNU ORCHESTRA (anfangs spielte man sogar MAHAVISHNU-Cover), FRANK ZAPPA, HENRY COW und - nicht zuletzt - MAGMA. Aus dem Sound DÜNs lassen sich diese Vorbilder nur bedingt herauslesen. Tatsächlich kenne ich kaum eine Band, die ähnlich klingt. Das liegt sicher auch an der Besetzung und deren Umsetzung in den Arrangements: Flöte und Perkussion (ich weiß nicht genau, welche Instrument hier benutzt wird; es klingt ein bisschen wie hohe Marimba-Register oder auch ein Glockenspiel) teilen sich schräge, zerrissene Linien, manchmal plus Gitarre, dazu schroffe Piano-Akkorde, kraftvolle Bass-Riffs und druckvolles Schlagzeugspiel. Die Musik ist anspruchsvoll, dissonant, aber meist kraftvoll und mitreißend, auch wenn sich gelegentlich ruhige Passagen einschleichen. Die Melodien sind komplex und die Stücke stark durcharrangiert (abundan hebt auch mal ein jazzrockiges Solo - Gitarre, auch Synthie - ab, aber eher selten).

Gelegentlich kann man die Einflüsse der oben genannten Bands erkennen: der Anfang von "Arrakis" könnte mit seinen ruhigen, seltsamen Klavier-Harmonien auch ein HENRY COW-Stück einleiten, der Einsatz der gestimmten Perkussion erinnert an ZAPPA. Aber hauptsächlich MAGMA scheinen durch (für die DÜN auch mal als Vorgruppe auftraten): kräftige, treibende Bass-Riffs mit peitschenartiger Drum-Begleitung und steigerndem Tempo tauchen immer wieder auf, aber insgesamt sind DÜNs Kompositionen verfrickelter und verspielter als die von MAGMA, und auch der hymnische Gesang fehlt. Hier geht es rein instrumental anspruchsvoll zur Sache. DÜN wären auch fast der RIO-Bewegung von Chris CUTLER beigetreten und pflegten auch freundschaftliche Kontakte zu beteiligten Bands wie ART ZOYD oder ETRON FOU LELOUBLAN. Musikalisch hätten sie sicher gut zu diesen gepasst.

 
Pascal Vandenbulcke und das Cover der einzigen Platter "Eros".

Die ersten drei Bonus-Tracks sind (auch soundmäßig) gute Demo-Versionen von Album-Stücken, die teils radikal anders klingen, als die endgültigen Aufnahmen. Zum einen liegt dies an der anderen Besetzung (ohne Perkussion, aber mit Sax), zum Teil wurden die Kompositionen auch stark überarbeitet. So klingt "Eros" in der Demo-Version viel jazziger, fast Canterbury-mäßig, mit rasenden Läufen in Flöte und Gitarre, die in der Album-Version fehlen. "Acoustic Fremen" ist eine ruhigere Nummer, die aber hauptsächlich deshalb "ruhiger" ist, da sie nur in Dreierbesetzung eingespielt wurde: Gitarre, Sax, Flöte. Denn auch hier fehlten schräge Ausbrüche nicht. "Acoustic Fremen" diente wohl bei den Live-Auftritten als Ruhepunkt zwischen den heftigeren anderen Nummern.
 
Insgesamt ist "Eros" eine tolle Entdeckung für Freunde schrägerer Klänge, und macht wieder einmal Hoffnung, dass noch mehr solcher Schätze obskurer Bands wieder ans Tageslicht gelangen werden.

Autor: Udo Gerhards, München.