ENERGIE + RHYTHMUS = EKSTASE

Der eine Ton, der eine Schrei, der alles verbindet: MAGMA: Das französische intermusikalische Raumschiff mit Christian VANDER, seines Zeichens einer der begnadetsten Schlagzeuger dieses Kontinents, tritt am 15. November 1984 in München und einen Tag später in Frankfurt auf.


Clement Bailly und Benoit Widemann. Photo Antoine de Caunes.

Von ihrer Plattenfirma als europäische Kultband Nr.1 verkauft, startet MAGMA im November zu ihrer ersten Europa-Tournee in ihrer 15-jährigen Geschichte. Und es gibt einiges zu erwarten... Ende der 60er Jahre in Paris gegründet, setzten MAGMA ihrem buntgekleideten Hippie-Publikum metaphysische und apokalyptische Klänge vor, besangen in ihrer eigenen Kunstsprache den Untergang der Erde und kreierten den Planeten Kobaia, lange bevor ein gewisser Timothy Leary die Auswanderung ins All propagierte. Es folgten in dieser musikalischen SF-Geschichte opernhafte Stücke über die Zeit des Hasses, das mechanische Zerstörungskommando und den Einbruch des neuen Zeitalters.

Es gab stundenlange, fesselnde Live-Auftritte, 12 LP's bei acht verschiedenen Plattenfirmen, ständige Umbesetzungen in der Mannschaft des intermusikalischen Raumschiffs, Chaos und Pleiten. Hinter all diesen Aktivitäten ein Mann, der die Verbindung hielt: Christian VANDER. Eben jener VANDER verband mit der Gruppe MAGMA sein persönliches Wohlergehen, wollte seine eigene kompromisslose Musik schaffen. Und meldete sich nach einigen Jahren Pause zurück, mit einer neuen Besatzung, mit neuer Musik, aber den alten Idealen: Energie + Rhythmus = Ekstase. Keine Rehunion, keine MAGMA Revival-Band, sondern neue Musik für die 80er Jahre. "No Future" als Idee + Zustand erfüllt die Kulturpessimisten, MAGMA haben das schon lange hinter sich und besingen mittlerweile Liebe, Hingabe und Erfüllung. Wer ist der Zeit voraus und wer hinkt hinterher?


Christian "Zebëhn Straïn dë Geustaah" Vander am Schlagzeug.

Im Frühjahr gab es in Göttingen ein Testkonzert: Zur Eröffnung beschwörende Formeln, eine hingebungsvolle Hymne und entrücktes Wolfsgeheul, dann ging die Post ab: ein flockig heiteres Rhythmusgewitter aus Trommeln- und Klavierakkorden, stakkatohafter, vielsilbiger Gesang und zur Steigerung vier Bläser. Das Thema des Konzerts war die Liebe, ein heiteres Umspielen von Sänger und Sängerin, gemeinsame wärme Gesangssätze, viele Schreie, mitunter eingeschobene Hymnen und als Höhepunkt des Konzerts MAGMAs Interpretation von COLTRANEs "A Love Supreme". Lange musikalische Spannungsbögen, ein einziges Auf und Ab von ruhigen, verhaltenen Passagen über mitreißende, hypnotische Rhythmen bis zu einem weiteren ekstatischen Ausbruch.

Christian VANDER, als Komponist, Pianist, Sänger und Schlagzeuger, Hauptverantwortlicher der Gruppe, bezieht seine Inspiration von John COLTRANE. In der 60er Jahren Schüler des COLTRANE Schlagzeugers Elvin JONES, lernte er frühzeitig das für ihn Wesentliche in der Musik zu entdecken, letztendlich der eine Ton, der eine Schrei, der alles verbindet. Und COLTRANE sind die Konzerte und die Platten gewidmet. Dass es sich dabei mehr als um Jazz handelt, versteht sich von selbst: COLTRANE war schwarzer Amerikaner, VANDER ist Franzose mit starken osteuropäischen Einflüssen; seine Musik eine Form von slawischen Voodoo, wenn es das gäbe. Live zu erleben in München am 15. November in der Theaterfabrik, in Frankfurt am 16. November im Volksbildungsheim. Dann müsste auch die neue LP "Merci" erschienen sein.


"Tristan et Iseult - Wurdah Ïtah" zwei Lp-Auflagen '74, "Hallelujah" japanisches Bootleg der BBC-Aufnahme CD'74 und die offizielle CD-Auflage "BBC-1974 Londres".

Autor: M. M., Buch-Magazin, FFM-München, November 1984.