Vielen Musikern ging MAGMA an die Materie. Das Besetzungskarussell drehte sich ständig. Ich glaube, nicht zwei Alben wurden von derselben Mannschaft eingespielt. Nur auf den ersten beiden Alben spielte Francois CAHEN mit, er war derjenige, der den treibenden Jazzrock-Anteil mit zu der genialen Jazzrock-Band ZAO nahm, der Band, die er nach seinem Ausstieg aus MAGMA gründete. Jeff SEFFER (auf "1001° Centigrades") folgte CAHEN.


Ergo Sum, Erinnerungsphoto aus Paris, MAGMA-Mitglieder rechts oben. Extra Nr.15, Februar 1972.

Die beständigen Festpunkte in MAGMA waren Christian VANDER, Klaus BLASQUIZ und Stella VANDER (Christians Frau). Louis SARKISSIAN war bis "Köhntarkösz" dabei, Teddy LASRY bis "Mekanik Destruktiv Kommandöh". Andere Musiker tauschte VANDER stets nach ein oder zwei Alben aus, um seine Idee von MAGMA am Leben zu erhalten, MAGMA seine Band, sein Projekt, seine Musik bleiben zu lassen.

Eine vollständige Besetzungsliste aufzuführen, ist schier unmöglich, da auf einigen Alben nur die kobaïanischen Namen angegeben worden sind und eine sichere Zuordnung (zu den "terrestrischen" Namen) nur den absoluten Hardlinern problemlos möglich sein dürfte. Christian VANDER über den MAGMA-Gesang: "Die Schreie waren ein Kontrast zu all der Musik, die damals angesagt war. PINK FLOYD und diese Leute, die meiner Meinung nach einfach träumten. Bei Musik sollte man nicht einschlafen oder träumen, sondern man sollte plötzlich bereit sein, etwas anderes zu spielen. Also braucht man ziemlich heftige Kontraste, damit die Leute wieder aufwachen. Die Leute waren damals alle irgendwie lethargisch. Das war nicht groß überlegt, wir fühlten uns wirklich danach, so was zu tun".


Blasquiz, Top, Graillier, Vander, Lockwood, Federow im Jahr 1976.

Unter dem Pseudonym "Univeria Zekt: The Unamables", das aus rechtlichen Gründen gewählt wurde, spielten MAGMA ein hervorragendes Jazzrock-Album mit teils englischen Texten ein. Der Gourmet, der diese Platte natürlich dringend braucht, darf auch eine zweite nicht entbehren, die zu bekommen nicht ganz leicht sein dürfte: "Tristan Et Yseult" (Filmmusik, eingespielt von BLASQUIZ, TOP, Stella und Christian VANDER). Chronologisch betrachtet wäre dies die dritte MAGMA-LP (sie wurde aber unter dem Namen Christian VANDER veröffentlicht und wird nicht als dritte MAGMA-Platte gelistet). Hier finden sich die treibenden Vokal-Orgien unter Führung von weiblicher und männlicher Stimme ausgezeichnet arrangiert.

Mit animalischem Instinkt intoniert, brechen die Singakrobaten ein neues musikalisches Feld auf. Piano, Bass und Schlagwerk bauen ein modifiziertes, im Tempo wechselndes Monoton ohne jegliches Break und das dies alles nicht beachtende Piano zerlegt seine Saiten in schnell auf der Stelle tretenden und doch melodischen Attacken. Eine Explosion! Jede Seite der Platte ist in sechs Segmente unterteilt, die ohne Pause durchlaufen. Viel Melodie mit schönen und harmonischen Gesangparts über dem wahnwitzigen Donnerbass und den manischen Perkussions und Schlagzeug.


Von links; Klaus Blasquiz, Francois Cahen, Guy Delacroic, Richard Raux, Jannick Top, Stünder.

VANDER: "Ich bin immer auf der Suche oder horche nach einer neuen Melodie. Ohne Melodie geht es nicht. Von der Melodie aus kann man alles finden, sogar sie nicht zu spielen, und dann umspielt man sie, aber man braucht eine melodische Leitlinie, sonst wird das Mathematik und keine Musik. Der Gesang hat Vorrang. Ich hab immer unabhängig vom Schlagzeug komponiert. Ich habe nie im voraus gewusst, wie ich Stücke von mir begleiten würde."

1973 erschien "Mekanik Destruktiv Kommandöh". Die minimalistischen Strukturen zeigten sich verstärkt. Vokale Impressionen, hauptsächlich von Piano, Bass und Schlagzeug illuminiert, zeigten den Vergleich zu Theater- und Neuer Musik. Von der Urbesetzung waren neben VANDER nur Sänger Klaus BLASQUIZ übrig geblieben, dessen tiefe, volle Stimme einen effektvollen Kontrast zu VANDERs schrillen und markerschütternden Schreien lieferte. Giorgio GOMELSKY, ihr einflussreicher Manager, nahm mit dieser Platte den Angriff auf den internationalen Musikmarkt vor. Die Band hatte in Frankreich eine breite Anhängerschaft gefunden, Erfolg stellte sich ein. Firma A&M wurde auf MAGMA aufmerksam und nahm die Gruppe unter Vertrag. Jährlich sollten zwei Alben abgeliefert werden, ein Zyklus, der 1977 abgeschlossen sein sollte, aber nie vollendet wurde. Schon nach dem kommerziellen Flop von "Köhntarkösz", dem folgenden und meinem persönlichen Lieblings-Album von MAGMA, war A&M nicht mehr bereit, das ehrgeizige Unternehmen bis zum Ende durchzuziehen. Der finanzielle Erfolg war überschätzt worden, Band und Plattenfirma trennten sich nach alsbald auftretenden Schwierigkeiten.


Christian Vander  singt "Otis".